Staat ins Informationszeitalter

Staat ins Informationszeitalter

Der Staat muss endlich ins Informationszeitalter einsteigen

Die IuK-Industrie liegt in Deutschland bei der Bruttowertschöpfung noch vor Maschinenbau-, Automobil- oder Baubranche. Eine neue Studie zeigt, dass deutsche Behörden beim Einsatz von IT und Telekommunikation im internationalen Vergleich jedoch nur im Mittelfeld liegen. Die Lösung: Das „Großunternehmen Bundesrepublik Deutschland“ benötigt einen CIO

Von Dietmar Müller, 14. Dezember 2005

Durch den konsequenten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK) in Staat und Wirtschaft könnten bis 2008 rund 75 Milliarden Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung erbracht werden. Diese könnten auf Basis eines „IuK-Masterplans“ realisiert werden, der eine e-Strategie und Umsetzungsmaßnahmen für die Nutzung von Wachstumschancen im IuK-Sektor vorgibt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die The Boston Consulting Group (BCG), Deutsche Telekom und Siemens Communications heute in Berlin vorstellten.

Der IuK-Sektor, der in Deutschland eine jährliche Wirtschaftsleistung von mehr als 130 Milliarden Euro generiert, gehört zu den bedeutendsten Industriezweigen und könnte als Innovationstreiber die technologische Erneuerung in den Anwendungsbranchen beschleunigen. Um die Potenziale für den Standort Deutschland konsequent zu nutzen, sei auf Bundesebene ein nationaler Chief Information Officer (CIO) zu etablieren, der die Umsetzung des IuK-Masterplans zwischen Politik, Wirtschaft und Bürgern koordiniert, so die Verfasser der Studie. Zu den zentralen Forderungen des Maßnahmenpaketes zählen beispielsweise ein verstärkter Einsatz von e-Government und e-Health im öffentlichen Sektor, aber auch Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen oder Innovationsförderung.

In der gemeinsamen Studie „Wirtschaftliche und politische Chancen der Informationsgesellschaft“ zeigen die Verfasser nicht nur auf, wie die deutsche IuK-Branche im internationalen Wettbewerb positioniert ist, sondern auch, in welchen Bereichen Politik und Wirtschaft ansetzen müssen, um das gesamte Potential der IuK-Branche auszuschöpfen und in Wirtschaftswachs-tum für Deutschland umzusetzen.

„Der IuK-Sektor in Deutschland hat das Potenzial, ähnlich wie die Automobilindustrie eine Vorreiterrolle für Qualitätsstandards, technischen Fortschritt und internationale Wettbewerbsstärke zu übernehmen. Wenn die weltweit agierenden deutschen Konzerne dabei eine Art „Leuchtturm“-Funktion einnehmen sollen, ist dies nur mit wettbewerbsfähigen und hochwertigen Anwendungs- und Zulieferindustrien möglich“, erklärte Dr. Dieter Heuskel, Senior Vice President, The Boston Consulting Group.

Erheblicher Nachholbedarf bei der Umsetzung von e-Government und e-Health

Mit einem Anteil an der Bruttowertschöpfung von sechs Prozent ist die IuK-Branche national Spitze und liegt deutlich vor der Maschinenbau-, Automobil- oder Baubranche. Zudem trägt die IuK-Branche bereits heute mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten gut ein Drittel zum Produktivitätswachstum in Deutschland bei.

Dennoch liegt die deutsche IuK-Branche im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld und erwirtschaftete in den vergangenen Jahren deutlich geringere Produktivitätsgewinne als etwa in Großbritannien, Schweden oder den USA. So konnte Deutschland von 1995 bis 2002 nur die Hälfte des amerikanischen Produktivitätswachstums aus IuK generieren. Nach Ergebnissen der Studie bleibt Deutschland damit deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Internationale Beispiele verdeutlichen dies: So konnte Südkorea den IuK-Beitrag seiner Volkswirtschaft durch den massiven Ausbau der Breitband-Infrastruktur und das Angebot innovativer Breitbandanwendungen auf 15 Prozent steigern. Österreich hat mit der Einführung der digitalen Signatur den Weg zum führenden e-Government Anwender in Europa eingeschlagen. Großbritannien hat bereits 2003 ein umfassendes Programm zur Effizienzsteigerung des öffentlichen Sektors durch IuK-Nutzung eingeführt und will damit bis 2006/2007 insgesamt 30 Milliarden Euro an Einsparungen realisieren. Und auch Australien hat IuK bereits erfolgreich im öffentlichen Dienst eingeführt: Das Modell der Centrelink-Verwaltung bietet ein Internet-Portal mit rund 140 Verwaltungsdiensten und bündelt das bisher von 32 zuständigen Behörden wahrgenommene Angebot.

Die Studie sieht vor allem bei der Umsetzung von e-Government und e-Health einen erheblichen Nachholbedarf. Sowohl die IuK-Ausgaben der öffentlichen Hand (0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) als auch das Angebot an Online-Verwaltungsdienstleistungen ist deutlich geringer entwickelt als in Vergleichsländern. Allein im öffentlichen Dienst birgt nach Meinung der Autoren ein verstärkter IuK-Einsatz durch verbesserte Abläufe und Organisationsformen Ein-sparpotenziale von 27 Milliarden Euro jährlich. Bürger und Unternehmen könnten darüber hinaus durch eine effizientere Interaktion mit öffentlichen Stellen um rund zehn Milliarden Euro pro Jahr entlastet werden

Masterplan für mehr Wachstum durch IuK

In ihrem Masterplan für mehr Wachstum durch IuK geben die Autoren acht Handlungsempfehlungen und wollen damit den Weg weisen, wie bis 2008 ambitionierte Wachstumsziele erreicht werden können:

  1. Verstärkter Einsatz von e-Government und e-Health zur Realisierung von Produktivitätssteigerungen im öffentlichen Sektor
  2. Stärkung der Rechts- und Investitionssicherheit als Rahmen für die Schaffung einer international führenden Infrastruktur und eines wirksamen Innovationswettbewerbs
  3. Integration der IuK-Bildung in die schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildungspläne („Vernetzte Lehre“, E-Learning)
  4. Ausbildung von 5000 zusätzlichen Hochschulabsolventen für die IuK-Branche
  5. Förderung der IuK-Kompetenz und Breitennutzung in Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung
  6. Stärkung der IuK-Nutzung im Mittelstand durch die Entwicklung und Kommunikation innovativer IuK-Konzepte
  7. Aufbau von Gründungszentren und Innovationsclustern zur Förderung der Innovationsaktivitäten, Nutzung von Spillover-Effekten und Verbesserung des Wissenstransfers
  8. Intensivierung von F&E-Kooperationen und verbesserte Allokation der Forschungsaktivitäten auf wirtschaftliche Akteure und öffentliche Institutionen

Um die Umsetzung des Masterplans zu koordinieren und voran zu treiben, schlägt die Studie dem Bund vor, die Funktion eines Chief Information Officer (CIO) zu schaffen. Im Informationszeitalter sei diese Funktion in größeren Unternehmen nicht mehr weg zu denken. Deshalb wäre die Funktion eines CIO, der eine zukunftsweisende IuK-Strategie ressortübergreifend definiert und umsetzt und zugleich e-Government im öffentlichen Sektor vorantreibt, auch für das „Großunternehmen Bundesrepublik Deutschland“ sinnvoll.

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